Diese Woche hat der Regierungsrat des Kantons Graubünden einen überfälligen Schritt nachgeholt: Das Grobkonzept und das Kandidaturdossier für die Olympischen Winterspiele 2026 sind seit Dienstag auf der Website des Kantons öffentlich einsehbar. Bereits in der Dezembersession des Grossen Rates war die Kritik am «Geheimkonzept» gehört worden, es brauchte aber anscheinend zwei Zugangsgesuche nach dem neuen Öffentlichkeitsgesetz, um die Regierung zu diesen Schritt der Transparenz zu bewegen.
Unklar ist, ob die Regierung zu diesem Schritt verpflichtet gewesen wäre. Da die Dokumente innerhalb der Bearbeitungsfrist veröffentlicht wurden, wird das Zugangsgesuch «gegenstandslos» und die juristische Abklärung der Frage, ob laut Öffentlichkeitsgesetz ein Anspruch auf Einsicht besteht, nicht beantwortet.
Fakten statt Verstecken
Eigentlich sollte diese Abklärung des Anspruches aber irrelevant sein. Am 12. Februar 2017 stimmen die Bündnerinnen und Bündner über die Grundsatzfrage pro oder contra Olympiakandidatur ab. Essenzielle Grundlage dieser Abstimmung ist das Kandidaturdossier, welches bereits am 15. Dezember 2016 bei Swiss Olympic eingereicht wurde. Die vorgebrachte Begründung, dass die Westschweizer Konkurrenten nicht «abschreiben» und somit die guten Ideen der Bündner Bewerbung klauen können, scheint kaum gewichtig genug für die Vorenthaltung dieser Informationen. Dies gerade im Bewusstsein, dass die Westschweizer ihre Kandidatur zum selben Zeitpunkt eingereicht haben, d.h. ihr eigenes Dossier auch bereits erstellt haben.
Bei Abstimmungen sollten die Stimmberechtigten grundsätzlich Zugang zu allen Informationen haben, welche die Abstimmung betreffen. Eine informierte Entscheidung der StimmbürgerInnen bedingt die volle Faktenlage, und dazu gehört im Fall der Olympiakandidatur auch die Grundlage für die Kandidatur selbst. Dass einige Informationen – das Grobkonzept der Wirtschaftsverbände und das Kandidaturdossier selbst – quasi erst auf Antrag veröffentlicht werden, zeugt von wenig Vertrauen in die Stimmberechtigten, und nicht zuletzt auch in das Projekt selbst, wenn Details nicht mitgeteilt werden.
Wieso wurde der Grosse Rat nicht aktiv?
Es ist nicht Aufgabe der Regierung oder des Grossen Rates, mögliche Konsequenzen oder relevante Fakten zu «schützen», d.h., vorzuenthalten. Der Zugang zu Fakten und Informationen ist dabei nicht eine parteipolitische Sache und hat auch nichts mit der Zustimmung oder Ablehnung des konkreten Projektes zu tun, sondern ist eine Grundsatzfrage: werden die Stimmberechtigten ernst genommen und wird ihnen eine Entscheidung basierend auf allen vorhandenen Fakten ermöglicht, oder filtert die Politik die nutzbaren Informationen?((Nicht zu vergessen ist dabei, dass das Bundesgericht den Bundesrat beispielsweise gerügt hat, dass bei der Abstimmung zur Unternehmenssteuerreform II die Informationsgrundlage keine korrekte Meinungsbildung ermöglicht hat, siehe z.B. Berichterstattung in der NZZ.))
Interessanterweise hat die Mehrheit des Grossen Rates somit eine schlechtere Entscheidungsgrundlage als die Stimmbevölkerung in der Olympia-Abstimmung. Der Zugang zum Grobkonzept wurde nur den Mitgliedern der Wirtschaftskommission gewährt, sodass die grosse Mehrheit des Grossen Rates den Entscheid zur Weiterführung der Kandidatur ohne die komplette Faktenlage getroffen hat. Eigentlich wäre es bereits Auftrag des Grossen Rates, von der Regierung die vollständige Auskunft zu verlangen, und dies nicht aus taktischen Überlegungen an Einzelpersonen in der Bevölkerung zu delegieren, welche per Zugangsgesuch Einsicht verlangen.
Für den Zugang zu amtlichen Dokumenten hat der Kanton Graubünden eine Informationsseite online geschalten. Neben der Beschreibung des Vorgehens ist auch eine Mustervorlage für ein Gesuch bereitgestellt, welche anschliessend elektronisch eingereicht werden kann.